Briefe an H. 5 / Letters to H. 5

Liebe H.

mir geht es heute besser. Heute bin ich einem Parfum gefolgt. Ich war mit dem Fahrrad unterwegs, da fuhr sie vor mir. Eine ältere Frau, schätze Mitte fünfzig. Sie trug eine hellblaue weite Bluse, die lachend im Wind flatterte. Mein erster Gedanke war, es muss sich gut anfühlen bei der Hitze mit weiter Bluse durch den Wind zu radeln. Dann roch ich ihr Parfum, die Spur, die sich hinter sich lies, und es war überraschend frisch. Dezent, nicht aufdringlich, zart wie eine rasierte Achsel. Ältere Frauen müssen nach Tosca riechen, so mein Konzept im Hirn. Sie dürfen nicht so jung duften. Es überraschte mich, aber ich war gleichzeitig dankbar für diese Begegnung. Die Welt ist anders als wir denken.

Weird fishes.

Ich denke gerade darüber nach etwas zu zertören. Ich werde uns zerstören. Wenn du mich lässt.

Vermisse die Wucht in meinem Leben. Oft hatte ich sie, mächtig, kraftvoll, gnadenlos. Zur Zeit macht sie Urlaub. Irgendwo, bei einer anderen Person. Vielleicht bei dir. Wucht ist wichtiger als Liebe. Fühle ich. Für Wucht würde ich dich fallen lassen. Es sei denn du bist die Wucht. Dann wüsste ich nicht weiter. Erst einmal.

Alles ist nichtig, wenn ich an das kleine Mädchen am Straßenrand denke. Steht da, blond, Sommerkleidchen, Brötchen auf der Schulter, guckt links und rechts auf die Strasse. Sie mag acht Jahre alt sein oder 2000. Wer weiss das schon. Wartet geduldig auf die eine Lücke. Welche Lücken werden ihr begegnen? Im Leben. Ich wünsche ihr, dass sie sie erkennt. Bitte.

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Dear H.

I feel better today. Today I followed a perfume. I was riding my bike and she rode in front of me. An older woman, guessing mid-fifties. She was wearing a light blue loose blouse, fluttered in the wind laughing. My first thought was, it must feel good to cycle in the heat with a wide blouse through the wind. Then I smelled her perfume, the scent behind her, and it was surprisingly fresh. Subtle, not intrusive, delicate as a shaved armpit. Older women must smell like Tosca, was my concept in my brain. They must not smell so young. It surprised me, but at the same time I was grateful for this encounter. The world is more different than we think.

Weird fishes.

I’m thinking about destroying something right now. I’m going to destroy us. If you let me.

Miss the impact in my life. Often I had it, mighty, powerful, merciless. At the moment it is on vacation. Somewhere, with another person. Maybe with you. Impact is more important than love. I feel. I’d drop you for impact. Unless you’re the impact. Then I wouldn’t know what to do. For now.

Everything is void, when I think of the little girl at the roadside. Standing there, blonde, summer dress, bun on her shoulder, looking left and right at the road. She may be eight years old or 2000, who knows. Waits patiently for the one gap. What gaps will she encounter? In life. I wish her to recognize them. Please.

Frieden / Peace

Der Mann ist auf einen Geburtstag eingeladen. Der Freund seiner Tochter feiert. Der Mann mag den Freund, weil er nicht klammert. Der Freund heisst gerade Urban. Urban lässt lässt den Mann so sein wie er ist. Urban doktort nicht an dem Mann herum, versucht ihn nicht zu ändern. Wie auch.

Das Fest findet in einer Gartenanlage statt. Dort stehen mehrere Bauwagen. Verschiedene Menschen haben sich einen Bauwagen als Zuhause ausgebaut. Da ist alles drin. Bett, Heizung, Küche. Aber kein Klo. Geduscht wird im Dusch-Wagen. Junge Leute machen das so. Das imponiert dem Mann. Sie machen das einfach so. Er fragt sich dennoch wo sie kacken.

Auf dem weitläufigen Grundstück haben sie Bierbänke aufgestellt. Dort sitzen Menschen. Unterhalten sich, essen Gegrilltes, trinken Bier. Alle sind deutlich jünger als der Mann. Er fühlt sich nicht fremd. Er kennt viele. Sie kennen ihn. Er unterhält sich mit Beate, die keiner so richtig leiden kann. Der Mann hört ihr zu, hört in sie hinein.

Was er nicht wusste: die Tochter hat auch seine Ex eingeladen. Er sieht sie kurz, ein freundliches Hallo, dann wieder Beate. Der Mann vergisst seine Ex wieder. All die schönen Erlebnisse. Wie wichtig diese Frau einst war. Dann ist er ehrlich zu sich und vergisst sie doch nicht. So wertvoll. Sie. Sein Leben wurde ein anderes, als er mit ihr zusammen war. Dankbarkeit.

Die Leute sitzen nun alle vor dem Eingang eines alten Hauses. Das war mal ein Blumenladen. Verwittertes Mauerwerk, efeuumrankt. Staubig. Der Mann fühlt sich geborgen. Die Strasse vor dem Haus ist alt und lang. Faltiges Kopfsteinpflaster links und rechts. An beiden Enden biegt sich die Strasse, will nicht gerade sein. Die Nachmittagssonne fällt in Sommern behutsam in alte Straßenschluchten.

Entlang der Strasse sitzen Menschen, weithin. Sie warten auf die Parade, die man um die Ecke schon trompeten hört. Das Gedödel wird lauter, aber die Parade erscheint nicht. Dem Mann ist das aufgefallen. Keine Elefanten. Nur Getröte ohne Drumherum. Er hinterfragt das nicht. Ist halt so.

Dann sitzt er wieder im Garten am Biertisch. Mit Sandra, die mit den blauen Haaren, wie man weiss. Er wendet kurz den Kopf und sieht seine Ex. Sie geht Hand in Hand neben einem Mann. Er ist nicht sonderlich attraktiv, auch wesentlich jünger als seine Ex, hat lange Haare. In seinem Gesicht steht Wolfgang. Der Mann am Tisch wartet auf den Schmerz. Er kommt nicht. Überraschung.

Später unterhält sich der Mann drinnen, wo ist egal, mit Mampfi, dem Musiker. Seine Ex schlüpft vorbei, Arm in Arm mit Wolfgang. Das Paar bleibt stehen und die Frau schmiegt sich an Wolfgang. Sie blickt dem Mann lange in die Augen. Die Leute sagen was man nun in ihrem Blick sehen sollte. „Sieh‘ her, ich habe einen Neuen. Du bist Geschichte.“ Doch der Mann sieht etwas anderes. Er sieht „Mir geht es gut, du musst dir keine Sorgen machen. Ich bin glücklich.“

Der Mann nickt. Warmes Herz. Frieden.

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The man is invited to a birthday party. His daughter’s boyfriend is celebrating. The man likes the boyfriend because he is not clingy. The boyfriend’s name is Urban right now. Urban lets the man be the way he is. Urban does not mess with the man, does not try to change him. How could he?

The birthday party takes place in a garden area. There are several construction trailers there. Various people have made a construction trailer their home. There is everything in it. Bed, heating, kitchen. But no toilet. People shower in the shower trailer. Young people do it that way. That impresses the man. They just do it that way. He still wonders where they poop.

They have set up beer benches on the sprawling property. People are sitting there. They are talking, eating barbecue, drinking beer. All of them are clearly younger than the man. He doesn’t feel like a stranger. He knows many people. They know him. He talks to Beate, whom no one really likes. The man listens to her, listens into her.

What he didn’t know: the daughter has also invited his ex. He sees her briefly, a friendly hello, then Beate again. The man forgets his ex again. All the beautiful experiences. How important this woman once was. Then he is honest with himself and doesn’t forget her after all. So precious. Her. His life became different when he was with her. Gratitude.

The people are now all sitting in front of the entrance to an old house. It used to be a flower store. Weathered brickwork, ivy-covered. Dusty. The man feels safe. The street in front of the house is old and long. Wrinkled cobblestones left and right. At both ends the road bends, doesn’t want to be straight. The afternoon sun falls cautiously into old street canyons in summers.

People sit along the street over a long distance. They are waiting for the parade, which you can hear trumpeting around the corner. The din gets louder, but the parade does not appear. The man noticed that. No elephants. Just trumpets without any trimmings. He doesn’t question that. It is just the way.

Then he sits again at the beer table in the garden again. With Sandra, the one with the blue hair, as you know. He turns his head briefly and sees his ex. She is walking hand in hand next to a man. He’s not particularly attractive, much younger than his ex, has long hair. His face has Wolfgang written all over it. The man at the table is waiting for the pain. It is not coming. Surprise.

Later the man chats inside, where doesn’t matter, with Mampfi, the musician. His ex slips by, arm in arm with Wolfgang. The couple stops and the woman snuggles up to Wolfgang. She looks into the man’s eyes for a long time. People say what should now be seen in her gaze. „Look here, I’ve got a new guy. You’re history.“ But the man sees something else. He sees „I’m fine, you don’t have to worry. I’m happy.“

The man nods. Warm heart. Peace.

Briefe an H. 4 / Letters to H. 4

Liebe H.

mir geht es heute besser. Heute habe ich mein Herz beobachtet. Wie es stolperte. Mein Herz stolpert ab und an. Es weiss dann nicht genau wie es schlagen soll und kommt aus dem Tritt. Es tritt einige male auf der Stelle, wie eine Katze, die mit dem Hintern wackelt, bevor sie auf die Beute hechtet. Es tritt also auf der Stelle und sagt „Warte! Warte! Gleich. Noch nicht. Warte….JETZT!“ Dann schlägt es wieder normal. Das macht es einfach so, ohne mich zu fragen.

Herzrhythmusstörung nannte mein Arzt es. Ich war 16. Seitdem weiss ich, dass ich meinem Herz nicht trauen kann. Es pocht wild, wenn es Liebe wittert. Schreit, wenn es Hass riecht. Aber wenn es wichtig wird tritt es auf der Stelle. Traut sich nicht. Oder übertreibt. Dauerpochen. Wenn ich verliebt bin z.B. Wenn ich „meine“ verliebt zu sein. Da macht es Rabatz. Aber wenn es wichtig wird, da hält es die Schnauze.

Ich hoffe dir geht es gut.

Mir hat niemand beigebracht wie man sich rasiert. Neulich sah ich einen Film in dem ein Vater seinem Sohn gezeigt hat wie man sich rasiert. Es hat mich sehr berührt. Mein Vater hat mir nur gezeigt wie man Frauen schlägt. Ich konnte es nie anwenden. Sah keinen Sinn darin. Es berührt mich nicht Frauen zu schlagen. Der Vater in dem Film sagte zu seinem Sohn „Rasiere niemals gegen Strich.“ Wusste ich nicht, als ich mich das erste mal rasierte. Fett gegen den Strich rasiert. Ohne Folgen. Auch guten Vätern muss man nicht alles glauben.

Aus tiefstem Herzen (?), Ronz.

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Dear H.

I feel better today. Today I watched my heart. How it stumbled. My heart stumbles every now and then. It often doesn’t know exactly how to beat in time and gets out of step. It stumbles a few times, like a cat wiggling its butt before rushing on the prey. So it steps on the spot and says, „Wait! Wait! In a moment. Not yet. Wait …. NOW!“ Then it beats normally again. It just does it that way without asking me.

Cardiac arrhythmia my doctor called it. I was 16. I’ve known since then that I can’t trust my heart. It pounds wildly when it sniffs love. Screams when it smells hate. But when it becomes important, it steps on the spot. Doesn’t dare. Or it exaggerates. Constant pounding. When I’m in love e.g. When I ‚mean‘ to be in love. Then my heart makes a fuss. But when it becomes important, it shuts up.

I hope you are doing well.

Nobody taught me how to shave. The other day I watched a movie in which a father showed his son how to shave. It really touched me. My father only showed me how to beat women. I could never use it. Didn’t see any point in it. It doesn’t affect me to beat women. The father in the motion picture said to his son, „Never shave against grain.“ I didn’t know when I shaved the first time. I gross shaved against the grain. Without consequences. You don’t have to believe everything in good fathers either.

From the bottom of my heart (?), Ronz.

Briefe an H. 3 / Letters to H. 3

Liebe H.

mir geht es heute besser. Dennoch weiss ich nicht, was ich Menschen antworten soll. Wie ich mit ihnen reden soll. Oder muss. Falls ich muss. Ich bin mir da unsicher. Es erscheint mir alles so belanglos was sie mir sagen. Zumindest ist das bei den meisten Leuten so, die mit mir reden. Sie reden „mit“ mir. Nie fragt mich einer, ob ich überhaupt reden will. Menschen reden ungefragt auf mich ein. Ich reagiere dann aus meiner Scham heraus. Heuchle zuzuhören, nicke oder schüttle den Kopf, manchmal ein „mmmh“ oder „ja“ oder „aha“. Aber eigentlich will meine Zunge nicht raus aus der Höhle. Sie weiss nicht was sie da draußen tun soll. Ich fühle mich dann arrogant, als Menschenfeind, dumm…

Heute wieder. Menschen werfen Sätze auf mich.
„Ich habe ihm vor 5 Monaten 20 Meter Maschendrahtzaun geschenkt, aber er hat sie immer noch nicht montiert.“
„Wegen meines Enkels tu ich keine Chemikalien in den Teich, deswegen musss ich ihn drei mal im Jahr leeren und wieder auffüllen. Aber wohin mit all dem Wasser?“
„Ist das nicht ein Scheiß-Wetter heute?“
„Es ist Ausgangssperre, aber die Museen haben geöffnet. Wo ist denn da die Logik?“
Ich sehe mein Gegenüber an wie ein Erstklässler eine Mathematik-Abituraufgabe. Ich verstehe es einfach nicht.

Warum reden so wenige Menschen über Gefühle? Da würde ich gerne zuhören.

Bin ich kaputt? Was stimmt nicht mit mir?

Die Gespräche mit dir sind anders. Du sprichst nicht in mein Gesicht, sondern in mein Herz. Dein Reden fühlt sich warm an.

Ich habe Angst mich noch einmal in dich zu verlieben.

Was ich auch oft bemerke: viele Menschen reden einfach los, weil sie die Stille nicht ertragen können. Dabei ist es doch gerade die Stille, die uns Wertvolles erzählt.

Liebe Grüße, Ronz.

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Dear H.

I feel better today. Still I don’t know what to answer to people. How to talk to them. Or how I have to. If I have to. I’m not sure about that. Everything they tell me seems so irrelevant to me. At least that’s the way it is when most people talk to me. They are talking „to“ me. Nobody ever asks me if I want to talk at all. People talk to me without asking me. Usually I react out of my shame. Pretend to listen, nod or shake my head, sometimes a „mmmh“ or „yes“ or „aha“. But actually my tongue doesn’t want to get out of the cave. She doesn’t know what to do out there. I then feel arrogant, as a misanthrope, stupid…

Today again. People throw sentences at me.
„I gave him 20 meters of chain link fence 5 months ago, but he still hasn’t installed it.“
„Because of my grandson, I don’t put any chemicals in the pond, so I have to empty and refill it three times a year. But where do you put all that water?“
„Isn’t that shitty weather today?“
„It’s curfew, but the museums are open. Where’s the logic?“
I look at my counterpart like a first grader on a maths school-leaving exam. I just do not understand.

Why do so few people talk about feelings? I would like to listen to that.

Am I broken? What’s wrong with me?

The conversations with you are different. You are not speaking in my face, but in my heart. Your talking feels warm.

I’m scared of falling in love with you again.

What I also often notice: many people just start talking because they can’t stand the silence. Yet it is precisely the silence that tells us something valuable.

Kind regards, Ronz.

Briefe an H. 2 / Letters to H. 2

Liebe H.

mir geht es heute besser. Ich weiss nicht was Liebe bedeutet und wie man das macht. Wenn ich meine zu Lieben, dann bin ich vollumfänglich. Meine Tore sind weit offen, ich vertraue bedingungslos, ich lasse mich in die Liebe fallen. Einfach so. Stelle keine Forderungen, schütte mein Herz aus über jemanden. Dann denke ich wieder, es kann doch nicht gut sein jemanden zuzuschütten. Muss ihn doch erdrücken. Aber wie liebt man ohne zuzuschütten? Wie kann ich meine Liebe zeigen ohne dass der andere Angst bekommt? Ich weiss es nicht. Deswegen bin ich single. Solange ich darauf keine Antwort weiss. Deswegen fühle ich mich manchmal einsam.

Ich weiss eigentlich nicht viel von dir.

Die Sache mit der Einsamkeit. Ein zweischneidiges Schwert. Entweder ich lasse mich auf jemanden ein, der in der Liebe fordert (wenn auch unausgesprochen) oder ich finde eine Frau, die nur liebt, nicht fordert, und ich ertappe mich dabei wie ich mir auf die Schliche komme, da ich selbst Erwartungen habe und meine angebliche Liebe nur eine Seifenblase ist. Das würde bedeuten, dass ich keine Chance habe, egal wie es kommt. Was mich wiederum kraftlos macht, keine Lust zu suchen.

Es gibt Menschen, die sagen, du musst gar nicht suchen. Liebe kommt zu dir. Vor diesem Fragezeichen stehe ich gerade. Schulterzucken, Kopf leicht schief gelegt.

Liebst du?

In Liebe Grüße, Ronz.

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Dear H.

I feel better today. I don’t know what love means and how to do love. When I think I love, then I am all in. My gates are wide open, I trust unconditionally, I let myself fall into love. Just because. Don’t make demands, pour my heart out on someone. Then in turn I think, it can’t be good to fill someone up. Must crush him. But how do you love without filling up? How can I show my love without frightening the other? I dont know. That’s why I’m single. As long as I don’t know the answer. That’s why I feel lonely sometimes.

I don’t really know much about you.

The thing about loneliness. A double-edged sword. Either I get involved with someone who demands something in love (even if unspoken) or I find a woman who can just love, no demands, and I find myself trapped because I have expectations and my supposed love is just a soap bubble. That means no matter how it comes, I don’t have a chance. Which in turn makes me powerless, I have no desire to look for somebody.

There are people who say you don’t have to search. Love will come to you. I am standing in front of this question mark. Shrug, head tilted slightly.

Do you love?

With love Best wishes, Ronz.

Briefe an H. 1 / Letters to H. 1

Liebe H.

mir geht es heute besser. Ich weiss nicht was Leben bedeutet und was wichtig daran ist (weiß das überhaupt jemand?), aber ich lebe. Einfach so. Bin mir nie sicher, ob das ok ist. Darf man einfach so leben, ohne Ziele, ohne Schwerpunkte, ohne Inhalt? Ich lasse mich treiben, Tag für Tag, bemerke aber auch, dass einem nicht so viel begegnet, wenn man nur treibt und nicht schwimmt. Ich zucke mit den Schultern und sage ‚Es ist halt so.‘, habe jedoch immer das dumpfe Gefühl etwas zu verpassen. Chancen zu verpassen. Das Glück zu verpassen. Dabei fühle ich mich gar nicht unglücklich, eher stumpf. Bin zufrieden mit meinem Leben, eingerollt in ein fettes Wattepolster, das meine Umwelt verschluckt.

Ich wünsche mir, dass es dir gut geht.

Heute habe ich diesen Satz wieder gehört. ‚Ich möchte, dass meine Kinder ein besseres Leben leben, als ich es hatte. Meines war sehr hart und schmerzhaft.‘ Und jedesmal, wenn ich diesen Satz höre, frage ich mich ‚Warum?‘. Warum sollen Kinder ein einfacheres und leichteres Leben leben?  Nimmt man ihnen nicht etwas weg, wenn sie keine schmerzhaften Erfahrungen machen dürfen? Schmerz gehört doch zum Leben wie Hass, Tod, Liebe, Glück und Kätzchen. Jedes gute Gericht braucht Salz und Säure. Nur Süße allein schmeckt nicht. Lasst die Kinder doch Schmerz erleben. Ich jedenfalls mag meinen Schmerz, den ich erlebt habe. Ich stelle ihn auf kein Podest  und lasse ihn mein Leben bestimmen. Aber er ist ein Teil von mir.

In Liebe, Ronz.

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Dear H.

I feel better today. I don’t know what life means and what is important about it (does anyone even know that?), but I’m living. Just because. I’m never sure if that’s ok. Can one just live like that, without goals, without priorities, without content? I let myself drift, day after day, but also notice that you don’t come across as much if you just drift and do not swim. I shrug my shoulders saying, ‚It’s just the way it is‘, but I always have the nagging feeling of missing something. To miss opportunities. To miss happiness. I don’t feel unhappy at all, rather lustreless. I am satisfied with my life, rolled up in a fat pad of cotton wool that swallows my environment.

I wish that you are fine.

Today I heard that sentence again. ‚I want my kids to live better lives than I had. Mine was very hard and painful.‘ and every time I hear this sentence, I ask myself ‚Why?‘. Why should children live a simpler and easier life? Aren’t you taking something away from them if they’re not allowed to have painful experiences? Pain is part of life like hatred, death, love, happiness and kittens. Every good dish needs salt and acid. Only sweetness alone does not taste good. Let the children experience pain. Anyway, I like the pain I was experiencing. I don’t put him on a pedestal and let him rule my life. But it’s part of me.

With love, Ronz.

Zunge / Tongue

Ich denke.
Warum?
Was soll das?
Denken.
Es bringt mich
nicht weiter.


Denken ist wie Löcher stopfen.
Wo keine sind.
Denken ist leben,
ohne zu leben.
Denken ist ein Krussell.
Kein Ende
immer Kreis.

Wenn ich nicht denke
fühle ich
spüre ich.
Deine Augenbrauen.
Die Stelle hinter deinem Ohr.
Das Rauhe auf deiner Zunge.
Deine Wimpern auf meinen Lippen.

Du bist.
Ich nicht.
Denke ich.
Immer Kreis.

Dann küsst du mich.
Alles stürzt ein.
Das Universum
erlischt.

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I think.
Why?
What for?
Thinking.
It doesn’t take me
further.

Thinking is like darning holes.
Where there are none.
Thinking is living,
without living.
Thinking is a carousel.
No end
always circles.

If I don’t think
I feel
I sense.
Your eyebrows.
The spot behind your ear.
The rough of your tongue.
Your eyelashes on my lips.

You are.
Not me.
I think.
Always circles.

Then you kiss me.
Everything collapses.
The universe
dies.