Zunge / Tongue

Ich denke.
Warum?
Was soll das?
Denken.
Es bringt mich
nicht weiter.


Denken ist wie Löcher stopfen.
Wo keine sind.
Denken ist leben,
ohne zu leben.
Denken ist ein Krussell.
Kein Ende
immer Kreis.

Wenn ich nicht denke
fühle ich
spüre ich.
Deine Augenbrauen.
Die Stelle hinter deinem Ohr.
Das Rauhe auf deiner Zunge.
Deine Wimpern auf meinen Lippen.

Du bist.
Ich nicht.
Denke ich.
Immer Kreis.

Dann küsst du mich.
Alles stürzt ein.
Das Universum
erlischt.

.
.
.

I think.
Why?
What for?
Thinking.
It doesn’t take me
further.

Thinking is like darning holes.
Where there are none.
Thinking is living,
without living.
Thinking is a carousel.
No end
always circles.

If I don’t think
I feel
I sense.
Your eyebrows.
The spot behind your ear.
The rough of your tongue.
Your eyelashes on my lips.

You are.
Not me.
I think.
Always circles.

Then you kiss me.
Everything collapses.
The universe
dies.

Mädchen / Girls

Ich sehe kleine Mädchen im Sommerregen tanzen,
mit durchnässten Kleidchen,
ein Lächeln so groß wie das Universum.


Ich sehe kleine Mädchen mit zarten Kniekehlen
und Schweißperlen auf der Oberlippe.

Ich sehe kleine Mädchen einen Baum umarmen
während sie mit ihm reden.

Ich sehe zwei Mädchen, die sich gegenseitig
Blumenkränze ins Haar binden
und dabei kichern.

Ich sehe Mädchen im Gras liegen,
den Himmel liebkosen.

Ich sehe kleine Mädchen,
wie sie Gummihüpfen spielen,
wie ihre Kleidchen wippen,
wie sie ihre Höschen zeigen dabei,
doch es ist ein ernstes Spiel.

Ich sehe meinen ersten Kuss.
Ich sehe ihre langen schwarzen Haare im Herbstwind flattern.

Ich sehe Mädchen, die nur Mädchen sein wollen,
herzlich,
lustig,
lustvoll,
unbekümmert,
frei.

Ich sehe Mädchen Fragen in die Welt werfen.

Kann sie riechen,
dein Atem an meinem Ohr.

Wie sie zum ersten mal Lippenstift auftragen.

Wie du einen anderen Jungen küsst.

Wie sie umarmen.

Ich sehe Mädchen,
wie sie kreisen, wie sie kreisen, im Kreis sich drehen,
bis der Schwindel
sie in ein anderes Leben trägt.

Wie sie duften,
wie sie schmecken,
wie sie lachen,
wie sie traurig sind,
wie sie Sonnenstrahlen nachbauen.

Ich sehe kleine Mädchen
und plötzlich sind es Frauen
und ich werde aus der Umlaufbahn geworfen
und sie kreisen weiter um eine andere Sonne.

Beschützen.
Deinen Hals entlang schnuppern.

.

.

I see little girls dancing in the summer rain,
with drenched little dresses,
a smile as big as the universe.

I see little girls with tender knees
and beads of sweat on the upper lip.

I see little girls hugging a tree
while they talk to him.

I see two girls, each other
tie flower wreaths into the hair
and giggle.

I see girls lying in the grass,
caress the sky.

I see little girls,
how they play rubber hopping,
how her little dresses are rocking,
as they show their panties,
but it is a serious game.

I see my first kiss.
I see her long black hair flutter in the autumn wind.

I see girls who just want to be girls
cordially
funny,
relish,
unconcerned,
free.

I see girls throwing questions into the world.

Can smell them,
your breath on my ear.

How they apply lipstick for the first time.

How you kiss another boy.

How they hug.

I see girls,
how they circle, how they circle, turn in circles,
until the dizziness
carries them to another life.

How they scent,
how they taste,
how they laugh,
how sad they are,
how they rebuild sunbeams.

I see little girls
and suddenly they are women
and I’m being thrown out of orbit
and they continue to circle around another sun.

To protect.
Sniff along your neck.

Birke / Birch

Mein Briefkasten ist immer leer.
Das ist eine Lüge.
Ich erwarte, dass mein Briefkasten leer ist.
Das ist wahr.

Ich fühle einen tiefen Schmerz.
Das ist eine Lüge.
Ich möchte gerne tiefen Schmerz fühlen.
Das ist wahr.

Keiner liebt mich.
Das ist eine Lüge.
Ich fordere, dass mich niemand liebt.
Das ist wahr.

Ich bin eine Birke.
Das ist wahr.

Ich liege auf dem Waldboden.
Nackt.
Und weine.
Ist das wahr?

Ich bin das oberste Blatt am Baum.
Sonnenhungrig.
Überrage alle anderen Blätter.
Das ist wahr.

Wenn ich mich schneide
hole ich ein größeres Messer,
um noch tiefer schneiden zu können.
Das ist dumm.
Und eine Lüge.
Aber wahr.

Meine Lügen sind wahr.
Das ist eine Lüge.

Meine Lügen sind Lügen.
Das ist eine Lüge.

Die Wahrheit ist:
Die Birke lügt im Wind.

My mailbox is always empty.
That’s a lie.
I expect my mailbox to be empty.
This is true.

I feel a deep pain.
That’s a lie.
I would like to feel deep pain.
This is true.

Nobody loves me.
That’s a lie.
I demand that nobody loves me.
This is true.

I am a birch.
This is true.

I’m lying on the forest floor.
Naked.
And cry.
Is that true?

I am the topmost leaf on the tree.
Sun hungry.
Surprise all other leaves.
This is true.

When I cut myself
I’ll get a bigger knife,
to cut even deeper.
That’s stupid.
And a lie.
But true.

My lies are true.
That’s a lie.


My lies are lies.
That’s a lie.

The truth is:
The birch is lying in the wind.

Als ich meinte dich zu lieben

Wollte ich das Alles nicht verlieren

Vor allem deinen Geruch.

Die Falten in deinen Mundwinkeln,
wenn du gelacht hast.
Dein Speichel.

Das wässrige dunkle Leuchten deiner Augen.
Millionen Meter tief.

Dein heisser Atem
in meinem.

Wenn du mich sanft geküsst hast,
mit weichen rasierten Lippen.

Wie du schmeckst.

Brustwarzen wie Speere.
Fordernde Zunge.

Dein zierlicher Körper ein weiter Bogen,
der sich mir entgegenspannt.

Stöhnen im Nacken.
Ein Schnurren.

Der bittere und salzige Geschmack
stoppeliger Achseln.

Die weiche Stelle zwischen
Schenkel und Vulva.

Dein Moosgeruch.
Dein Fluid.

Wie du meinen Schwanz.

Das Gleiten unserer Körper.
In der Sommerhitze.

Mein Sperma.
Dein Körper.

Dein Blick sagt
JA!

Wollte es nie verlieren.
Nie.
Habe es verloren.

Seit ich dich loslassen konnte.
Kann ich dein Gesicht streicheln.

Seit ich dich loslassen konnte.
Bin ich dir näher.
Als je zuvor.

Seit ich dich loslassen konnte,
verwandelte es sich in ein Gedicht.

Fettes Gold

Wenn im November um 16:19 Uhr

die Sonne von rechts

schräg auf die Welt knallt,

die Schatten genüsslich in die Länge zieht,

dann leuchten die Farben fett.

fettgrün,

fettgrau,

Goldfett.

Venushügel in Blattgold.

Junge Bäume spritzen Träume,

Erdefettfeucht,

alles kopuliert, alles Walzer!

Rechts ein scharfer Strich mit dem Lineal

im Himmel,

orangerot,

darunter ein neuer Himmel,

blaugrau,

gegenüber tropfen Wolken

grauorange

auf den Kopf,

hängen tief,

greifbar,

im Zwielicht.

Der Herbst küsst.